Man könnte meinen, dass unsere Generation Y und Z deutlich weiter beim Thema Feminismus ist, als beispielsweise die Generation unserer Eltern. Haltungen entwickeln sich, Perspektiven ändern sich und das ist auch gut so. Als privilegierte weiße Frauen leben wir vielleicht auch noch stärker in einer Bubble und erfahren die extremen Ausmaße von Sexismus nicht so, wie es vielleicht andere Frauen tun.
Trotzdem begegnen auch uns im Alltag immer wieder Situationen, in denen man nicht weiß, ob man laut auflachen, abhauen oder der Person eine reinhauen soll. Einmal erklärte mir mein Gegenüber beim Date zum Beispiel todernst, dass wenn Männer mit vielen Frauen schlafen, sie den Masterschlüssel haben - Frauen hingegen hätten dann einfach nur ein kaputtes Schloss. Eine Bekannte beschwerte sich, dass sie die ganze Gender-Diskussion nicht verstehe - der männliche Plural inkludiere ja die Frauen, das wäre doch mit unserer Sprache so gewachsen und schon immer so gewesen. Und auf TikTok existieren unzählige sexistische Videos, die jeglichen feministischen Fortschritt wieder um 5 Schritte zurückwerfen.
Nach den Aussagen mancher Menschen hört es sich an, als hätten Frauen sich den Feminismus nur aus Spaß ausgedacht - aber wie geht man mit so einem ignoranten Verhalten um?
Vorab möchte ich betonen: Auch wir haben die Weisheit nicht mit Löffeln gegessen, auch wir flippen manchmal innerlich aus oder können nicht immer ganz sachlich bleiben. Aber oft werden anti-feministische Aussagen provozierend getroffen, um eine gewisse Reaktion hervorzurufen. Zeigt man die gewünschte Reaktion nicht, sondern lässt seinen Gegenüber ruhig und sachlich “ins Messer laufen”, merken die Personen häufig, wie unangemessen ihre Aussage war. Hier kommen einige Beispiele, wie man das anstellen könnte:
Gendern:
Beim ‘Gendern’ geht es um die geschlechterneutrale Sprache, also wenn wir uns um eine Sprache bemühen, in der von mehr als nur Männern explizit gesprochen wird. Im Deutschen haben wir zum Beispiel das Problem, dass der Plural häufig nur die männliche Form darstellt und die weibliche Form (theoretisch) darin inkludiert sei. Daher kommt es vor, dass einige Menschen Gendern als umständlich und anstrengend und die Verwendung einer geschlechtsneutralen Version als unnötig empfinden.
Die Antwort: Sprache ist menschengemacht und verändert sich stetig. Jedes Jahr werden neue Wörter in den Duden aufgenommen oder sprachliche Formen nicht mehr verwendet. Was spräche dagegen, eine nicht-diskriminierende Sprache direkt in der Schule zu lernen und anzuwenden? Würde dies tatsächlich jemanden einschränken oder überfordern oder wäre es nicht derselbe Weg eine Sprache zu erlernen, wie es aktuell der Fall ist?
Der zweite wichtige Punkt ist, dass sich unser Gehirn beim Sprechen immer ein Bild im Kopf formt. Wenn wir also von “den Ärzten” reden, haben wir keine Frau im weißen Kittel im Kopf, sondern eine Gruppe von Männern, oder? Gerade durch diese Formung der Wirklichkeit durch Sprache ist es wichtig, in jedem Bereich verschiedene Geschlechter wahrnehmbar zu machen.
Feminismus:
Geht es um das Thema Feminismus, wird oft der Sinn und Zweck infrage gestellt. Frauen dürften doch bereits alles, was Männer auch dürfen und wären nicht mehr unterstellt. Oft kommt noch der Zusatz, dass Feminismus die Männer diskriminieren würde.
Die Antwort: Erstmal ist es wissenschaftlich bewiesen, dass Frauen beispielsweise weniger verdienen als Männer - dies zeigt der Gender Pay Gap. Auch das Rollenbild der Frau ist durch die Gesellschaft noch viel sexualisierter als das des Mannes, was logischerweise einige Konsequenzen hat.
Außerdem soll der Feminismus nicht dazu beitragen, Männer schlechter dastehen zu lassen, sondern dass alle Geschlechter gleichgestellt sind. Wenn eine kleine Gruppe viele Vorteile hat und davon irgendwann ein bisschen was abgeben muss, ist das der Versuch, Nachteile auszugleichen und damit Gerechtigkeit herzustellen.
Seximus:
Catcalling heißt nicht flirten! Leider verwechseln das nicht nur Männer, auch einige Frauen fassen dies als Kompliment auf oder denken, dass Frauen, die sich daran stören, zu schwach sind. Auch wird oft die Klamottenwahl der Frau in die Diskussion mit einbezogen, wenn es um sexistische Handlungen geht.
Die Antwort: Sollen Frauen sich einschränken, damit Männer sich beherrschen können? Ich glaube kaum, dass hier auch nur eine einzige Person die Frage mit ‘Ja’ beantworten kann.
Auch ein Gedankenexperiment könnte Abhilfe schaffen: Man stelle sich vor, dass eine Frau die Top 3 der plumpsten Anmachen, die an sie gerichtet wurden, in der Gegenwart der Mütter der drei Absender vorliest. Könnte ziemlich unangenehm für die drei Männer werden, oder? Aber wieso war es Ihnen nicht schon beim Abschicken unangenehm, wo war die Selbstreflektion beim Texten der Nachricht?
Auch hier gilt wieder: Sexismus ist von Menschen gemacht, also können wir ihn auch abschaffen.
Der Sinn des Feminismus ist, auf die Missstände aufmerksam zu machen und die Gesellschaft in der Hinsicht wachzurütteln. Nur weil es schon immer so war, muss es nicht so weiterlaufen.
Natürlich kann man nicht alle Menschen direkt zum extremen Feministen umwandeln - aber Feminismus ‘Gegner’ ab und zu zum Nachdenken zu bewegen oder eventuell sogar zur Selbstreflektion bringen, wäre schon ein enormer Fortschritt.
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